Donnerstag, 27. Februar 2020

Seite 10 - Die himmlische Gebär-Mutter
























{Rest des letzten Satzes von Seite 9: Tiefer hinein ins Gemüth ist nun der Ort, wo die himmlische Sophia durch die Gestalten der Natur, durch Finsterniß, Feuer und Luft, im Wesen oder himmlischen Leiblichkeit sich ausgebohren, und in ihrem Spiegel Vater und Sohn, Feuer und Licht, in einem göttlichen Wesen umfaßet, und in diesem Spiegel oder Sophiam, gehet nun der Willen-Geist aus der Stirn durch Immagination ein, denn er ist der ewige Aufschließer im Menschen, und so bald er die göttliche Wesenheit also aufgeschloßen und die Sophiam in seiner Immagination hat, so zündet er weiter hinunter den Geist der feurigen Begierde, aus dem urkundlichen Seelen-Grund, mit der Weißheit an, das ist, er küßet den Geist der feurigen} 
Begierde (den ersten Feuer-Mann und Bräutigam Sophia) beides, in sich, als in seinen Brüdern, in der Harmonie des Geistes; und damit brennet die göttliche Liebe im Feuer, und steiget die nunmehro feurige Liebes-Begierde also recht aufwärts in die himmlische Jungfrau der Wesenheit, und zündet die himmlische Gebär-Mutter an, das ist, er schwängert sie mit seiner starken Liebes-Flamme, und führet sein und der Brüder Anliegen in die Mutter ein.

Diese combinierte feurige Liebesbegierde dringet durch alles Halten des Feindes durch, zerbricht alle Finsterniß, und schließet die Gebär-Mutter auf, da der Seelen-Geist nimmt, und ihm nichts versaget wird, was er bittet, es sei was es wolle. Math. 18.
Und damit spricht Gott mit dem Verbum fiat* Seines Sohnes, das Amen in unser Gemüth.
Damit zieht die Seele ab, und die Creatur ist der göttlichen Erhörung in sich gewiß, stehet mit Freuden von den Knien wieder auf, und nimmt ihre äußere Verrichtung zur Hand; die Turba** kann sich nicht ins Gemüth dringen; unser Geist aber muß in den Schranken Gottes bleiben, und sich keine Freiheit im Sp. M. [spiritus mundi***] nehmen. Denn da ist die Turba, dafür die Jungfrau fliehet. Aus diesem könnt ihr abnehmen, das Beten kein sinnlich Werk. p. 
d.d. 28. Jan. 1708. p. 

Und unser Geist nun in der Höllen wohnen kann ohne Brennen, weil er sich allezeit, wie zuvor in den untersten Theilen der Seelen im finsteren Gemüth (welches die große Tiefe heißet) gebären und anzünden muß, welches geschiehet in allen Gebeten, so oft der Seelen-Wille sich in Gott einführen will, und die Begierde erwecket, welche mit ihrem Anziehen der Stachel der Finsterniß in den Eßentien machet, davon die Eßentien in solche große Unruhe kommen, und sich aus dieser grausamen Tiefe, worin sie gerathen, schwingen wollen, und doch kein Entfliehen ist, weil Christi Tod darin stehet, wie gedacht;
Anfang des letzten Satzes, der auf der nächsten Seite beendet wird:
Dies ist das große Angst-Rad, welches sich aus der Finsterniß ausgebieret, {...}

*) verbum fiat = das göttliche Schöpfungswort ("es werde...")
**) Turba = Turba Philosophorum, einer der ältesten lateinischen Texte der Alchemie
***) spiritus mundi = der Weltgeist, Begriff aus der Alchemie

Donnerstag, 20. Februar 2020

Seite 9 - Die himmlische Sophia























{Rest des letzten Satzes von Seite 8: ohne dass die Sinne einige Würkung mit haben, als nur im formalen Gebet, da sich der Geist in Sinnen und Gemüth in ein Auge zusammen faßet, und in Gott eingehet.}

Die Praxis wird den schönen Gottesdienst in der Kraft zeigen p.
d.d. 14. Augst. 1707

Dieser süße Liebes-Schmack wird auch einen Gott angenehmen sanften Lichts-Hunger erwecken, worauf alle Facilität im Geist des Gebets soll folgen, daß der Stachel in den gebärenden Eßentien sich in ein sanftes Creutz-Leben soll verwandeln p.
Hiemit sollet ihr wunderbarlich von der mühsamen Würklichkeit der Sinnen los werden, weil der Geist Gottes im Gebet Sinnen und Gemüth zusammen raffet, in ein Auge des Willens.
Dieser geformte und zusammen gerafte Geist, stehet dann gerade vor der Stirn (da zuvor die Vernunft ihren Sitz gehabt) und ist nun wiederum der erste Wille vor Anzündung der ewigen Natur im Feuer (gleich als im Anfang der Menschwerdung, auch Schöpfung; weil das ewige Wort Jesus Christus in unserer Wiedergeburt nun in allen unseren Gebeten nun Himmel und Erden schaffet) und dieser Wille ist weder Licht oder Finsterniß, denn beide Qualitäten darin in der Gleichheit liegen, aber unfaßlich, und heißet darum eine Jungfrau* die nichts gebieret.
Tiefer hinein ins Gemüth ist nun der Ort, wo die himmlische Sophia durch die Gestalten der Natur, durch Finsterniß, Feuer und Luft, im Wesen oder himmlischen Leiblichkeit sich ausgebohren, und in ihrem Spiegel Vater und Sohn, Feuer und Licht, in einem göttlichen Wesen umfaßet, und in diesem Spiegel oder Sophiam, gehet nun der Willen-Geist aus der Stirn durch Immagination ein, denn er ist der ewige Aufschließer im Menschen, und so bald er die göttliche Wesenheit also aufgeschloßen und die Sophiam in seiner Immagination hat, so zündet er weiter hinunter den Geist der feurigen Begierde, aus dem urkundlichen Seelen-Grund, mit der Weißheit an, das ist, er küßet den Geist der feurigen {Rest des letzten Satzes, der auf der nächsten Seite beendet wird: Begierde (den ersten Feuer-Mann und Bräutigam Sophia) beides, in sich, als in seinen Brüdern, in der Harmonie des Geistes; und damit brennet die göttliche Liebe im Feuer, und steiget die nunmehro feurige Liebes-Begierde also recht aufwärts in die himmlische Jungfrau der Wesenheit, und zündet die himmlische Gebär-Mutter an, das ist, er schwängert sie mit seiner starken Liebes-Flamme, und führet sein und der Brüder Anliegen in die Mutter ein.

*) Jungfrau Sophia =  Begriff der christlichen Esoterik, bezeichnet den von niederer Begierde befreiten Astralleib, das Geistselbt.

Donnerstag, 13. Februar 2020

Seite 8 - Der himmlische Haus-Vater























Rest des letzten Satzes von Seite 7 {...}: 
{Der gläubige Gebärer in Sonderheit wenn das Objectum durch Gutthat der Seelen Tinctur oder Saamen des Lichts geräget [gereget], hat Macht hier in die ewige Hütten aufzunehmen, da des Bruders Seele denn} nun eine ewige Wohnung gefunden hat, verstehet im Feuer-Himmel des Gebärens: Dieser kann auch mit ihr die Pforten der Jungfrau des Hertzens Gottes oder dritten Himmels durchgehen, sobald die Seele im Feuer Schulrecht gethan; und die äußere Creatur den Versucher im Fleisch abgeschlagen hat; sonst nimmt die Jungfrau keinen Geist ein, es muss die Seele nur im Feuer-Grund bleiben, bis sie dermaleinst die Gradus des Feuers durchgegangen, und so dünn worden als ein Licht p.

Das Beten ohne Unterlaß, gehöret auch in diese Angst-Cammer, dem strengen Mann des Vaters Natur im Gemüth immerdar die Liebe einzuführen, denn diese ist seine Speise, welche er gerne ißet, und davon in großer Sanftmuth und Wonne brennt. Aber die Seele muss ihre Immagination nicht ins Vaters Feuer setzen, sondern in die Jungfrau der Weißheit Christum einführen. Diese ist und fürträg-lich und erlaubet zu sehen, und in ihr sind wir dem Vater angenehm; außer Christo wird die Seele vom Feuer-Grund verrücket p.

El. gedenket an Br. P. eurer vorigen Übung von dem stillen müßigen Gebet in der Freiheit. Dieses ist der Gemüths-Stand, und das stehen am Markte, so lang uns Niemand gedinget, dahero die Arbeit des Geistes auch nur Accidental ist, und von keiner Dauer. So bald wir aber vom himmlischen Hauß-Vater gedungen, sind wir denen himmlischen Gesetzen der göttlichen Freiheit außer Natur unter-worfen, dürfen von der Arbeit nicht aus, und spatzieren gehen, und da wir ja verpausen, ist alles in und bei Hause.
Die meiste Schwirigkeit aber ereignet sich bei Anhebern in dem sinnlichen Grunde, worin die geistliche Arbeit gantz nicht, sondern stehet inwendig im Gemüth; man kann aber Niemand weiter führen, als sein instehend Gewächs ist, bis sich die Eigenheit abgewürget.
Die Liebe facilitiret* den Weg sehr, und versetzet unseren Geist aus uns selber in Gott, da dann die gemüthliche Arbeit natürlich dem Geiste wird, da der Mensch gehend und stehend, stets in Gott wandelt oder betet, {Rest des letzten Satzes, der auf der nächsten Seite beendet wird: ohne dass die Sinne einige Würkung mit haben, als nur im formalen Gebet, da sich der Geist in Sinnen und Gemüth in ein Auge zusammen faßet, und in Gott eingehet.}


*) fazilitieren = vereinfachen, leichter machen

Dienstag, 11. Februar 2020

Seite 7 - Ein bußfertiger Schächer























Durch einen zwischen gekommenen Zufall, bin gehindert worden, die Briefe nacheinander abzuthun, dieweil uns ein bußfertiger Schächer (davon gegen Br. N. gehandelt) vor die Pforten des Himmels im Gemüth gekommen, worin sich unser Geist nicht fassen könne, bis nach drey Tagen die Post des abgestorbenen Jünglings wegen gekommen, da denn der nakte Wille sich mit dem Stük Papier gleichsam gekleidet, und im Feuer-Grund der Seele empfindlich gerühret, und unseren Geist ins Gebet gezogen, da so bald wir nur mit der Imagination in die Jungfrau eingegangen, ist der Seelen-Geist ausm Feuer aufgesprungen und sich wieder vor die Himmels-Pforten gesetzet, sehr empfindlich, und währete über eine gantze Stunde, ehe sich die Seele konnte in unserem Geist recht faßen, dahero sie in großer Angst und Empfindlichkeit, als eine runde Kugel, zwischen Hertz und Brust lag, in welcher Zeit wir unser Aug aus Gott nicht gewendet, und die Seele am Faden mitgehalten, als sie sich dann zuletzt in unserem Willen gefaßet, und durch die verschloßene Himmels-Pforten, als durch den Cherub, mit uns durchgerungen, und zur Ruhe eingegangen, auch von der himmlischen Mutter mit einem schönen Kinder-Hemd angezogen worden, also daß die Seele die göttliche Kraft faßet und in der Mutter Schooß sich erquicket.
Gott ewig Lob, der seine ewige Hütten in unserem Geist aufgeschloßen, daß wir nicht nur darin eingehen, und die schönen Gottes-Dienste anschauen mögen, sondern auch andere würdige Seelen mit uns da hinein führen, und auf Gottes Altar stellen können. p.
d.d. 20. Nov. 1707 an Stedr.

Das Beten füreinander ist, daß die Seele in die Arme ihrer Begierde ihres Bruders Geist einfaßet und durch die ernste Pforten durchführet und unserer l. [lieben] Mutter der Weißheit Christo aufgeopfert, oder eingebieret.
Hier stehet Paulus in der Geburts-Arbeit.

Anfang des letzten Satzes, der auf der nächsten Seite beendet wird:
Meine Kindlein, die ich mit Schmertzen gebäre, bis Christus eine Gestalt in euch gewinne.
Der gläubige Gebärer in Sonderheit wenn das Objectum durch Gutthat der Seelen Tinctur oder Saamen des Lichts geräget [gereget], hat Macht hier in die ruhige Hütten aufzunehmen, da des Bruders Seele denn {...}

Freitag, 7. Februar 2020

Seite 6 - Hunger im Land des Lebens























Rest des letzten Satzes von Seite 4 {...}: 
{Wenn nun die Eßentien in einem Liebeswillen stehen, und sich vertragen, so kann der Seelen-Mund ohne Mühe eßen, und ist das Gebet kräftig und kurtz, dafern aber die Lebens-Gestalten in einem wiederwärtigen Hunger stehen, und sich mit und unter einander würgen, davon entsteht Angst in der Seelen, dass sie sich aus dem Zornfeuer heraus ziehen muß,}
(denn Gott keinen Teufel einläßet), bis sie mit dem Liebe-Hunger oben treibet: als dann erreichte sie Gottes Wesenheit, als die Jungfrau, und ißet von ihrer Speise, wie ein Kind der Mutter Brüste, obwohl dieses letzte ein thierisch Eßen ist, darum man die Prinzipia unterscheiden muß. Im Inneren ist alles heilig und lauter Kräfte.

Die letzte Art des betens gehet nicht kurtz zu, sondern verziehet sich Stunden lang, denn das Gemüth nicht ledig von Gott scheiden kann. 
Der Teufel hat durch sein Zornziehen zuvor einen Hunger ins Land des Lebens gebracht gehabt, so die allertapfersten Streiter auch getroffen, welchen ihr Saame nicht wachsen wollen, in solcher kümmerlichen Zeit: allein weil sie Josephs Vorrats-Häuser von himmlischen Güter in sich haben, hat sie Gott ernähret, dass sie von ihrer himmlischen Wesenheit eßen, und mittheilen können. 
In all welcher Zeit kein Gemüth auf grünen Zweig kommen könne, sondern weil die Gebete verkehrt gelaufen, allen Muth weggeworfen: Weil aber nun der angenehme Tag erschienen, so schlafet nicht, lieben Brüder, sondern sammlet euch einen Schatz, weil es Tag ist, denn die Zeit des Findens deßen was verloren war, ist gefunden worden, sagen wir mit Böhm* hochtheuer: es ist kein Tand. Ein Jeder merke auf seine Sache p.
d. 1. Aug. 1706. p.

Wir sollten in der Materie vom Gebet auch handeln, ob darin äußere Worte nöthig? Allein wer den obigen Methodum in sich verstehet, der wird bald finden, daß die Angst-Cammer alle bildliche Worte des Menschen in sich verschlinget; denn die Worte stehen in der Zeit, der Geist des Menschen aber in diesem Statu in der Ewigkeit. 
Warum sich das ängstliche Gemüth nicht zu quälen hat, daß es keine Worte mehr formiren kann, und sich über die Arbeit der Seelen, welche nicht fatigiret, keine verdrießliche Marter anthun darf. Wer aber die Gabe des inneren Gebets noch nicht hat, der übe sich so gut er vermag; denn er hat kein Gesetz, befleißi-ge sich aber, dass er still bei sich bete, in der Verborgenheit, und bei geschloßenen Thüren, ohne Geschrei von Menschen, welches Heuchelei p.

d. 1. Aug. 1706. p.

Anmerkung:
*): Jakob Böhme, 1575-1624, deutscher Philosoph und Mystiker

Mittwoch, 5. Februar 2020

Seite 5 - Die himmlische Jungfrau






















Rest des letzten Satzes von Seite 4 {...}: 
{Da doch Christus gantze Nächte im Gebet verharret, auch bis aufs Blut im Oel-Garten gerungen, wie die wahren Anbeter (so wohl auch dieser arme Streiter)}
für ihr Heil wißen, daß mit kraftlosen Stoß-Gebetlein der Satan nicht zu überwinden, es will ein großer Ernst da sein, der nicht nur durch die Wolken der Eitelkeit dieser Zeit, sondern durch die Hölle durchdringet p.
d. 1. Augst 1706 p.

Die himmlische Jungfrau entgegnet dem Gemüth anfangs nach der strengen Feuers-Geburth, welche die Seele finden wird, wenn sie im Gebet fleißig einkehret: Weßwegen das Gebet keines Weges schläfrig zu treiben, der Feind ist listig p.p.
Was anlanget, ob Gott auch mit dem Menschen spreche, als vor Alters: muß man wißen, daß Gott kein stummes Wesen; denn wo Er sich im Menschen offenbaret, da gebieret Er Sein Wort oder Sohn, und das ausgesprochenen, ist die Jungfrau der Weißheit, Gott im himmlischen Wesen ein Urim und Thumim* mit beiden himmlischen Tincturen, ein eßentiales Wort, so dem suchenden Gemüthe in allen Gebeten Gottes Willen dargiebet, auch in allen Fürfällen, wenn der Mensch nur Gott um Rat fraget, die Aufschließung im Gemüth ist, darauf der Mensch fußen, und in Gottes Wegen ohne Anstoß wandeln kann. Was aber mentalische, lautende oder schallende Worte Gottes anlanget, das wiederfähret nicht einer jeden Seele, geschiehet auch nicht alle Tage p.
d. 1. Augst 1706.

Das innere Gebet ist ein Wandeln mit Gott, und von Seiner Kraft eßen, und ist innenwärmend, gleich wie das äußerer Eßen im Gleichniß auch ist, ob der Mund schon nicht den gantzen Tag ißet, sondern seinen Tempora hat, da es das Mahl hält; die Lebens-Geister aber eßen allezeit, und ziehen die Kraft der Speise in sich, also auch mit dem Gebet zu verstehen ist, der Geist des Menschen ziehet sich aus allen Kräften zusammen in ein Auge, oder Immagination welche der Seelen-Mund heißet, und ißet Christ Fleisch und Blut als himmlische Wesenheit in seinen Hunger ein, und teilets in alle Eßentien der Geistes aus.

Anfang des letzten Satzes, der auf der nächsten Seite beendet wird:
Wenn nun die Eßentien in einem Liebeswillen stehen, und sich vertragen, so kann der Seelen-Mund ohne Mühe eßen, und ist das Gebet kräftig und kurtz, dafern aber die Lebens-Gestalten in einem wiederwärtigen Hunger stehen, und sich mit und unter einander würgen, davon entsteht Angst in der Seelen, dass sie sich aus dem Zornfeuer heraus ziehen muß, {...}

*):
Urim und Thummin sind die Orakelsteine des Hohepriesters der Iraeliten. Übersetzt aus dem Hebräischen  bedeuten die Worte "Licht und Recht".

Dienstag, 4. Februar 2020

Seite 4 - Das innere göttliche Feuer






















(Sehet wozu die göttliche Liebe, welche nun von Innen heraus anhebet zu grünen, den Menschen bringen kann, weil Liebe und Zorn nun in einer Bilantz stehet und der Mensch tausendmal lieber sollte sein Leben laßen wollen, als von Gott in seine Selbheit wieder ausgehen) Durch diesen Ernst und Resignation, bricht die finstere ängstliche Mutter, worin die Frucht ohne Verstand gelegen (gleich wie ein Kind im Mutterleibe) und ist nun das Gewächs der Licht-Welt heimgefallen, die Gestalten des Lichts führen den Zorn in sich gefangen, wie der Tag die Nacht , aber die Frucht ist noch nicht vollkommen p.
d.d. 1. Augst. 1706

Hierauf hat das innere göttliche Feuer ohne Aufhören in der Seelen gebrannt und das Zorn-Feuer in dem irdischen Fleisch und Blut von außen, daß das Gemüth zwüschen beiden in der größten Angst für und für ins Gebet gejaget worden, daß ich alle Gelegenheit, die ich nur erforschen möge, darzu wahrgenommen, das Lichts-Perlein auszugebären. Denn es mit der gebärenden Eigenschaft der Seelen eine verborgene Bewandniß hat, nicht wie der Brief des Freundes dafür hält, daß es ein gesetzlich Werk, und ein Stück der Unvollkommenheit im Menschen sei, weil Gott alle Dinge, auch unseren Gedanken vorher wiße.
Worauf dienet, daß freilich Gott kein abgeschieden oder umschränket Wesen außer seiner Creatur sey. Gott hat sich aber darum in Natur und Creatur eingeführet, daß Seine verborgene Kraft möge offenbar werden, und führet die Seele darum in und durch das Centrum der Angst, daß sie Gott in sich in Dreifaltigkeit ausgebären möge, so da Beten heißet p.
d.d. 11. Febr. 1700

Woraus ihr auch verstehet, daß diejenigen der himmlischen Schule noch keinen Verstand haben, welche das ringende Gemüth darnieder werfen, und haben wollen, man solle in der Eigenheit nicht würken, sondern nur gelaßen sein. Gott wiße alles p.
Welche Lehr-Meister weder Gott weder Gott oder den Grund der Natur kennen, machen einen Mischmasch, und schützen der Pharisäer heuchlerisch langes Gebet mit vielen Worten vor. p.

Anfang des letzten Satzes, der auf der nächsten Seite beendet wird:
Da doch Christus gantze Nächte im Gebet verharret, auch bis aufs Blut im Oel-Garten gerungen, wie die wahren Anbeter (so wohl auch dieser arme Streiter) (...)

Montag, 3. Februar 2020

Seite 3 - Das große Angst-Leben






















Der rechte Mensch ist ein kleiner Gott in dem Großen, in welchen Gott Seinen lebenden Geist-Athem mit dem Centro Natura ewig eingebohren. Dieses kann der Mensch nicht verleugnen, es klaget ihn allezeit an, will ers aber nicht aufschlagen durch Eindringen im Gebet, so ists ein Wurm der ihn naget und bis in die unterste Hölle brennet, als im Abgrund der Seelen; giebet sich aber die Seele in des Vaters Zug ein, und erwecket mit ihrer feurigen Begierde ihr verschlossen Centrum, so wird sichs in Gestalten zum Feuer resolviren, wodurch in den Anfängern das große Angst-Leben gebohren wird, da die Vernunft nicht weiß, wie ihr widerfähret; sie denket: du hast dich in die Buße und Gott ergeben, in Hoffnung der Seelen Ruhe zu finden, und siehe, du kommst nun erst recht in die Angst, welche dir die gantze Welt zu enge machet, daß du derselben nicht mehr gebrauchen kannst, und als ein Todter einhergehen mußt, weil dir alle Lust mit Hölle und Zorn durchsalzen wird.
Diese große Angst (darin das Hertze doch inwendig eine verborgene Süßigkeit findet, weil jede Gestalt des Feuers alle anderen Gestalten in sich hat, aber verborgen, der Zorn die Liebe, et vice versa) zu erkühlen, wird die Seele noch begieriger zum Gebet, und die Vernunft als der äußere Geist, weil sie den Blick der inwendigen Süßigkeit geschmöcket, giebet Consens dazu, in Hoffnung den verborgenen Schatz auszugraben, aber mit gantz widrigen Effectibus, des Feuers Gestalten erhitzen sich je länger je mehr, und gebären sich in großer Strenge in ein Rad [Sal, Sulphur, Mercurius]*. Da wird die Vernunft wach, und ersinket in großer Demuth, hält sich vor den allergottlosesten Menschen in der gantzen Welt, und da andere, die nur in den äußeren Spiegel sehen, ihn wollen einreden, und seine Phantasien (wie sie sagen) ihn ausm Kopf reden, so fühlet er viel ein anderes in sich.
Zu Mitten welchem starken Feuer-Brennen er Gottes verborgene Liebe noch empfindlicher gewahr wird; nimmt deroselben eine Resolution, nach Geist, Seel und Leib sich seinem Gott und Schöpfer der Wiedergeburth zu übergeben, was der auch mit ihm machen wolle, die Hölle soll ihm so lieb sein als der Himmel, außer Gott will er kein Leben mehr haben, er will gern im Brand der Höllen sein, wenns nur zur Offenbarung seines großen Schöpfers der Wiedergeburth brennen will.

*): 
Die drei Symbole stehen für Sal, Sulphur, Mercurius, also Salz, Schwefel, Quecksilber.

Sonntag, 2. Februar 2020

Seite 2 (Bibelzitate)






















Math: 7.V. 7.8. Spricht Christus: Bittet so wird euch gegeben werden, suchet so werdet ihr finden, klopfet an, so wird euch aufgethan werden, dann ein jeder, der da bittet, empfähet, und der da suchet, findet, und dem der anklopfet, wird aufgethan werden p.

Math. 18 V. 19.20. Wann eurer zween werden zusammen stimmen auf Erden, um alle Sach, darum sie werden bitten, die werde ihnen werden von meinem Vater, der in den Himmeln ist. Denn wo zween oder drey versammlet sind auf meinen Namen, daselbst bin ich in ihrer Mitten. p.

Marci. 11.  24 Alles was ihr euch in eurem Gebet bittet, glaubets, daß ihrs empfanget, so wird’s euch werden. p.

Luci. 21.  36. Darum wachet, und bittet zu aller Zeit, daß ihr möget würdig gemachet werden, zu entfliehen diesem allem, das geschehen wird, und zu stehen vor des Menschen Sohn. p.

Luc. 22 V. 40,41,44. Betet, um nicht in Versuchung hinein zu kommen. p. Und (Jesus) legte sich auf die Knie und betete. p. Und als Er (Jesus) in einem ringenden Kampf war, betete Er inständiger und sein Schweiß wurde wie Tropfen Bluts und fielen herab auf die Erden p.

Joh: 16.  23.24. Amen, Amen, ich sage euch, daß was ihr auch den Vater bitten werdet in meinem Namen, er euch geben werde p. Bittet, so werdet ihr empfangen, daß eure Freude erfüllet seye p.

Joh: 17.  20. Wegen ihrer aber bitte ich nicht allein, sondern auch wegen denen, die durch ihr Wort an mich glauben werden p.

1. Joh: 5.  14.15. Und das ist die Freimüthigkeit, die wir zu Ihm haben, daß wann wir was bitten nach seinem Willen, er uns höret p. Und wann wir wüßen, daß Er uns höret, was wir bitten mögten, so wißen wir, daß wir die gebetenen Bitten haben, die wir von ihm gebeten p.

Ephes. 6. 18. Betet stets in allem Anliegen mit Bitten und Flehen im Geiste und wachet darzu mit allem Anhalten und Flehen für alle Gläubigen p.p.

Anmerkung: Heutzutage gibt es online kostenlos wirklich hervorragende Möglichkeiten, Bibelstellen nachzuschlagen. Ich habe, wo ich mir unsicher war, den Text der Lutherbibel in der Fassung von 1912 zu Rate gezogen.

Seite 1 (Titel)


N. 34

Leyden 1790 20. October

J.J.H?.

Disci Parentis
J.W.U. Extracten 1706. a 1723.


Dieses Bändchen Parentale Extracten
von dem ?then. Br. Hl. Kühn in Leyden mit
eigener Hand in Liebe übergeben.
*. 1. September 1816.

Zum gesegneten Gebrauch für die lieben Schweitzer-Geschwister.

E.

Anmerkung: Die erste Seite war bis jetzt trotz wenig Text bis jetzt die härteste Nuss. Vermutlich wurden die Buchstaben hier besonders schön und extra verschnörkelt gemalt.
Insbesondere bin ich mir leider nicht sicher, ob das "disci" auch wirklich "disci" heißt. Es scheint mir aber am wahrscheinlichsten.