Freitag, 7. Februar 2020

Seite 6 - Hunger im Land des Lebens























Rest des letzten Satzes von Seite 4 {...}: 
{Wenn nun die Eßentien in einem Liebeswillen stehen, und sich vertragen, so kann der Seelen-Mund ohne Mühe eßen, und ist das Gebet kräftig und kurtz, dafern aber die Lebens-Gestalten in einem wiederwärtigen Hunger stehen, und sich mit und unter einander würgen, davon entsteht Angst in der Seelen, dass sie sich aus dem Zornfeuer heraus ziehen muß,}
(denn Gott keinen Teufel einläßet), bis sie mit dem Liebe-Hunger oben treibet: als dann erreichte sie Gottes Wesenheit, als die Jungfrau, und ißet von ihrer Speise, wie ein Kind der Mutter Brüste, obwohl dieses letzte ein thierisch Eßen ist, darum man die Prinzipia unterscheiden muß. Im Inneren ist alles heilig und lauter Kräfte.

Die letzte Art des betens gehet nicht kurtz zu, sondern verziehet sich Stunden lang, denn das Gemüth nicht ledig von Gott scheiden kann. 
Der Teufel hat durch sein Zornziehen zuvor einen Hunger ins Land des Lebens gebracht gehabt, so die allertapfersten Streiter auch getroffen, welchen ihr Saame nicht wachsen wollen, in solcher kümmerlichen Zeit: allein weil sie Josephs Vorrats-Häuser von himmlischen Güter in sich haben, hat sie Gott ernähret, dass sie von ihrer himmlischen Wesenheit eßen, und mittheilen können. 
In all welcher Zeit kein Gemüth auf grünen Zweig kommen könne, sondern weil die Gebete verkehrt gelaufen, allen Muth weggeworfen: Weil aber nun der angenehme Tag erschienen, so schlafet nicht, lieben Brüder, sondern sammlet euch einen Schatz, weil es Tag ist, denn die Zeit des Findens deßen was verloren war, ist gefunden worden, sagen wir mit Böhm* hochtheuer: es ist kein Tand. Ein Jeder merke auf seine Sache p.
d. 1. Aug. 1706. p.

Wir sollten in der Materie vom Gebet auch handeln, ob darin äußere Worte nöthig? Allein wer den obigen Methodum in sich verstehet, der wird bald finden, daß die Angst-Cammer alle bildliche Worte des Menschen in sich verschlinget; denn die Worte stehen in der Zeit, der Geist des Menschen aber in diesem Statu in der Ewigkeit. 
Warum sich das ängstliche Gemüth nicht zu quälen hat, daß es keine Worte mehr formiren kann, und sich über die Arbeit der Seelen, welche nicht fatigiret, keine verdrießliche Marter anthun darf. Wer aber die Gabe des inneren Gebets noch nicht hat, der übe sich so gut er vermag; denn er hat kein Gesetz, befleißi-ge sich aber, dass er still bei sich bete, in der Verborgenheit, und bei geschloßenen Thüren, ohne Geschrei von Menschen, welches Heuchelei p.

d. 1. Aug. 1706. p.

Anmerkung:
*): Jakob Böhme, 1575-1624, deutscher Philosoph und Mystiker

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