Freitag, 29. Mai 2020

Seite 24 - Berge der Trübsal






















{Rest des letzten Satzes von Seite 23:} das Principium, dem man sich im ringenden Lebens-Rad ein geben: daßelbe Gestirn füget dem Menschen, daß der Mensch das Principium Willen führet, das andere ist ihme verschloßen.
Denn ein jedes Principium sein eigen magisch Gestirn in sich hat, es sei im Licht oder Finsterniß, so eine Sucht ist, so den Geist infectiret.
Warum wir nicht im Sp. M. müßen, sondern durch den Luft- und Feuer-Grund durch, zu Gott eindringen, daß unser Geist das himmlische Feuer der göttlichen Tinctur im Blut Christi erreichen; darin haben wir ein fix Gestirn, so lauter göttliche Kräfte in der Seelen sind, die nicht nur die unteren Himmel bändigen, und in ein Paradeis verwandeln können, sondern auch ein Auge der göttlichen Weißheit sind, so unsere gantze Tiefe durchleuchtet, und den Satan auswirft, dahero Böhm saget, daß wir nicht Thiere sein müssen, sondern über das äußere Luft, und innere finstere Gestirn herschen müßen, sonst sey all unser Thun eitel p.p.
d.d. 3. ?br. 1705

Was anlanget Ernst und Gelaßenheit, so ihr in denen mistischen [mystischen] Schreibern nicht einigen könnt, hoffen wir, die Erfahrung soll euch wohl die Balance im Gemüth zeigen, nach dem Spüch-Wort, Noth lehret beten, da alles historische Wißen im Feuer hinfället p.p.
d.17. Aprill 1700

El. wird überhaupt Anlaß finden, wie sie ihr Gemüth in sich recolligiren*, und Sinnen und Gemüth in eines versammeln können, worin unser Wandel mit Gott stehet. Wo er sich mit seinem Geist der Kraft der Seelen offenbaret, und ihre Gebete erhöret, welche Versammlung Gemüths und Sinnen kein äußer natürlich Werk, wo man sich par farce** Sinnlos machen will, mit Erstarrung des äußeren Thier-Menschens, gleich die Vernunft, doch alles nachmachen will, was die siehet den inwendigen Geist thun; Nein! Es ist ein Ausgehen aus sich selber, wo die Seele mit Bergen der Trübsal beladen ist, wo sie zu ihrem Retter eingeht und Hülfe findet, da er heißet: Kommt her zu mir alle, die {Rest des letzten Satzes, der auf der nächsten Seite beendet wird: ihr mühseelig und beladen seid, ich will euch erquicken p.p.}

*) recolligieren = erholen
**) per farce = durch eine Farce

Donnerstag, 28. Mai 2020

Seite 23 - Die sanfte Qual























{Rest des letzten Satzes von Seite 22:} und eigenen Würken.
Es ist ein Feuer-Rad, da aller dreier Prinzipien Geist als ein Geist im Gebet in einander ist; aber da im Bewegen, einer aus dem anderen gehet, und einer dem anderen giebet. Ein jedes Principium will im Bilden Primas sein. Der äußere Geist dringet vor, und daran muß der Wille unannehmlich i.e.* gelaßen sein, wegen des Grimmen-Stachels, der drei ersten Gestalten, worin die Turba**, darauf folget der erste Feuer-Geist des ersten Principii, daran muss der Wille abermal unannehmlich sein, weil in seiner Anzündung der Quahl-Wurm des finsteren Abgrunds ist, welcher ebenfalls zu rauh, und wovor die Jungfrau fliehet; damit ist die Eigenheit dann zugesiegelt.
Zuletzt kommt der innere Lichts-Geist, der anderen Principii, die sanfte Qual der der großen göttlichen Demuth, und diese ist der Schlüssel, welcher die Jungfrau der himmlischen Gebärerin öffnet; Er ists auch, der mit aufgedecktem Angesicht in den jungfräulichen Spiegel schauen kann und mag, und durch den Inneren auch in den Äußeren.
An diesen sanften Qual-Geist haben wir uns all die Zeit von 21 Jahren gehalten p.p.
d. 3ten Apr. 1707

Weme Gott die Inwendigkeit aufschließet, der findet, daß die Principia in voller Erndte stehe, und mächtig in die Scheuren** einfahren; seelig ist, wer Gott über alle Dinge aus gantzem Hertzen, Seelen und allen Kräften liebet, und Ihm anhänget, und sein H. Licht zum Führer hat, weil die Principia sehr nahe in einander stehen, die den Geist mit einem Gedanken verrücken können, dahero stetiges und ernsthaftes Gebet und wachen nöthig ist, daß uns Gott vor guter Meinung bewahre; denn wenn wir uns nicht selbst Wege in der Vernunft machen müßen, darin Gott dienen zu wollen, sondern uns in Gottes Regierung mit Hertz und Seelen, beides inwendig und auswendig übergeben, damit uns Gott auf den Weg des ewigen Lebens bringen möge, sonst machen wir nichts Gutes, unser Thun hat auch keinen Bestand, sondern zerbricht mit der Zeit.
Wie wir denn genugsam befinden, an vielen Gemüthern, so im Anfange große Eiferer gewesen, jetzo aber stehet ihr Ofen nicht nur Eiskalt, sondern sind beides ihnen selbst als andern ein rechter Ekel, das macht {Rest des letzten Satzes, der auf der nächsten Seite beendet wird: das Principium, dem man sich im ringenden Lebens-Rad ein geben: daßelbe Gestirn füget dem Menschen, daß der Mensch das Principium Willen führet, das andere ist ihme verschloßen.}

*) id est = das heißt
**) Turba = Turba Philosophorum, einer der ältesten lateinischen Texte der Alchemie
***) Scheuren = Scheunen


Mittwoch, 27. Mai 2020

Seite 22 - Des Geistes Pforten






















{Rest des letzten Satzes von Seite 21:} Hunger ist unersättlich, so gar, daß er Gott und Himmelreich nicht kann gesättigt werden, sondern im dürren Hunger bleibet, denn der tiefe Abgrund sein Schlund ist; dahero kein Wunder, daß er dem Gemüthe nicht wieder austheilet, und ihr bei euren langweiligen Gebäten ohne Kraft bleibet p.p.
d. 22 Decbr. 1706

Hier verstehet man auch des Geistes Pforten mit dem Gebet, und wovon die harten Kämpfe zwischen Glauben und Zweifel herkommen? Der Geist des Gebets dringt in den inwendigen Menschen (darin der Tempel Gotts) in Gott als das Jah, wo es dann sein Gradus¹ von innen durch die Finsternis und Feuer ins Licht hat und bildet mit der Immagination des Glaubens das Model des Gefaßeten im Willen, zugleich dringt der Drache aufm Rücken mit dem Zweifel hinauf in den äußeren Spiegel, und ziehet das Jah in Nein.
Hie muß sich nun der Geist überformen, und die Immagination aus dem äußeren Spiegel heraus ziehen, und sich in den jungfräulichen Spiegel des Lichts imaginiren. Denn er hat beide in seiner Idea², und sind nur ein einig Auge oder Globus, vor sich die Himmlische Sophia, hinter sich die astralische oder äußere Sophia, welche letzte aber keine Jungfrau mehr, sondern vom Teufel inficiret oder geschwächet ist worden, und in welche auch der Satan mit dem Zweifel sich einflicht, wie bereits gedacht; aber wenn in der Bildung das Ja mit oder durch den Willen-Geist sieget, so wird das Nein vom Jah verschlungen, und der Satan muß den äußeren Spiegel verlaßen, und wird den Rücken hinunter geworfen auf die Erde der stinkenden Excrementen, womit dann der äußere Spiegel auch Licht wird, also daß die Kräfte Farben und Tugenden darin sehr paradeisisch erscheinen, und in ineinander und durch einander inqualiren³ und wirken; worin die äußere Sophia ein recht Gegenbild der Innern ist, aber in Principia von einander geschieden, rechte Geschwister, die äußere ist heilig, die Innere Allerheiligst; dieser ist das Amen und Jah im Gebet, in Hertz und Sinn und Gemüth. Hie habt ihr die Pforte des Durchbruches in der Tiefe.
Ehe aber ein Anfänger zu diesem Stande kommt, ereignen sich in der Anzündung der Gestalten im Feuer, die Lectiones mit dem gelaßenen {Rest des letzten Satzes, der auf der nächsten Seite beendet wird: und eigenen Würken.} 

¹) gradus = Stellung, Stufe, Rang
²) idea = Urbild, Idee, Ideal
³) inqualieren = übereinstimmend wirken

Dienstag, 26. Mai 2020

Seite 21 - Der Drachen-Wurm

Die Seele muß ihrem Drachen-Wurm absterben, und demüthig in der Mutter ruhen und sich der Creutz-Geburt und aller Wiederwärtigkeit unterwerfen, und ihr Himmel und Hölle Licht und Finsterniß eben lieb und egal um Christi Willen werden, damit wird ein ander Geist in der Begierde gebohren werden, welches der sanfte Lichts und H. Geist des Gebets heißet, und in Gott aufsteigen, hiemit bleibet der Drache als ein Salamander im göttlichen Feuer ruhen, welches seine sanfte Wonne und Himmel ist; über diese Gräntzen muß er nimmermehr kommen, denn die Jungfrau läßt ihn in ihren Lichts-Himmel nicht ein, er ist zu ungebärdig, und wenn er das Licht erreichet, flieget er [da]mit über die Thronen aus.
Aus diesem wird El. nun verstehen, durch göttliche Erleuchtung den Geist des Gebets Christi, welcher nicht ruft oder schreiet, und deßen Stimme man auf der Straße nicht höret; das Eli, Eli, Lamma Sabachtani* am Creutz rufen mit großem Geschrei und Thränen. Hebr. V. hat eine andere Lection p.p.
d. 1. Mai 1708

Der finstere Welt-Hunger wird von dem Licht-Hunger im Liebe-Feuer verschlungen werden, so euer Gemüth recht mäßig, und allezeit nüchtern wird machen, daß ihr den Hunger Gottes nach euren Gebets von dem Hunger Gottes der finsteren Welt klar werdet unterscheiden können, und Gottes Tempus, da Er unsere Gebete einißet ordentlich erkennen, auch den großen Unterschied in euch befinden, zwischen Gott und Natur; indem Gott unser Gebet zwar einißet, aber Seine Lichts-Wesenheit und Kraft unserer Seelen hinwieder mittheilet, daß also ein stets währendes unaufhörliches Eßen oder Beten ist, obwohl auf eine eßentiale Art, gleich wie unser natürliche Magen nach Speiß und Trank zu gewohnter Zeit hungert, und wenn er sein Mahl eingenommen, seinen Mund wieder schließet, und hinwiederum alle Eßentien und Glieder des Leibes speiset, daß also ein stetes Eßen auch ist; so bald der Magen den empfangenen Vorrath gantz ausgegeben, beginnt das Feuer wieder zu hungern nach neuer Speise.
Also auch mit dem göttlichen Feuer zu verstehen ist, welches mit unseren Gebeten gespeiset wird.
Der finsteren Welt, oder des Drachen {Rest des letzten Satzes, der auf der nächsten Seite beendet wird: Hunger ist unersättlich, so gar, daß er Gott und Himmelreich nicht kann gesättigt werden, sondern im dürren Hunger bleibet, denn der tiefe Abgrund sein Schlund ist; dahero kein Wunder, daß er dem Gemüthe nicht wieder austheilet, und ihr bei euren langweiligen Gebäten ohne Kraft bleibet p.p.} 

*) Eli, Eli, lāmā azav’tāni = Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ausruf Christi am Kreuz

Dienstag, 19. Mai 2020

Seite 20 - Mann und Weib






















{Rest des letzten Satzes von Seite 19: Hierin müßet ihr euren Geist mit der Immagination gewöhnen, auf daß die Sinnen die göttliche Kraft in sich faßen, zum Nutriment Seelen und Geistes so werden alle finsteren Bilder in der Vernunft fallen, inmaßen wir in allen Gebeten, El. alle drei darin als in unserer himmlische Matricern eingebähren, und euren Geist mit dem heiligen Tinctur-Feuer Vaters und Sohns anzünden und heiligen, und damit im H. Feuer zum lieblichen Geruch} 
in Gott auffahren (und dieses ists, daß euer Geist dies wonnesame Licht von ferne siehet, und die Strahlen davon auffaßet, wann ihr ihn aber werdet mit der Immagination, als gesagt ist gewöhnen, und herzu an den rechten Locum¹ führen, so wird euch das Licht nahe werden) ob wir El. möchten lüstern machen, dem Aas in eurer eigenen Creatur nachzuspüren, und auf den göttlichen Kraft-Punkt zu kommen, worin ihr alle Brüder umhälsen und faßen werdet können, und nicht in der Tiefe des Gemüths herumschweben, und auf ein Nonens [non ens]² in Ungewißheit würken dürfet, so doch keine Fixität³ giebet, weil Gott von uns nicht erreichet werden kann, als nur in Christo der Jungfrau, worin  die Gottheit im Wesen wohnet, und sich der Seelen wenn sie treu ist, seiner Zeit, von Angesicht zu Angesicht offenbaret.
Der jungfräuliche Spiegel aber ist zweifach, halb von unten unserer Menschheit, welche als ein Saame ins H. Tinctur-Feuer Vaters und Sohnes eingesäet wird, das ober Theil aber ist pur lauter Gottes, und der klare Spiegel der Gottheit, eine Zierde und Glantz der ewigen Majestät; und ist doch nur ein Spiegel, worin die Gottheit mit unserer Menschheit in Christi himmlische Lieblichkeit beisam wohnen.
Wer an diesem Ort wohnen, und ein Priester des neuen Bundes in Christo sein will, Amen, er muß Evam verleugnen, anders ist keine Stätte im Himmel, da weder Mann noch Weib: diese gehören absolut in den Vorhof und äußeren Himmel (bis der Mann und das Weib abgestorben) gleich am jüdischen Tempel im Fürbild auch zu sehen, und an den Schau-Brodten, davon kein Priester essen durfte, der sich nicht von Weibern enthalten.
Insonderheit mußte der Hohepriester gantz heilig sein, wenn er ins Allerheiligste eingehen wollen, weil Gott zwischen Cherubim wohnet, welche alle Unreinigkeit über die maßen scharf abschneiden, und der Creatur nicht schonen, all sollten auch Mark und Bein zu Trümmern gehen, gleich wir bei Eröffnung der Pforte in Ternarium Sanctum befunden haben.
Warum man sich nicht abusiren⁴, weil sich Gott nicht lässet spotten p.
Usa⁵ hatte gewiß wohl auch eine gute Meinung. 2. Sam. 6 p.p.
d. 14. Juli 1708.

¹) locus = Ort
²) non ens = Nichtseiendes, Unding
³) Fixität = Festigkeit, Beständigkeit
⁴) abusieren = täuschen
⁵) Usa = Gestalt aus der Bibel. Usa versucht einen Sturz der Bundeslade beim Transport nach Jerusalem zu verhindern und vergisst, dass er sie nach Gottes Gebot nicht berühren darf:  "Und als sie zur Tenne Nachons kamen, griff Usa zu und hielt die Lade Gottes fest, denn die Rinder glitten aus. Da entbrannte des Herrn Zorn über Usa, und Gott schlug ihn dort, weil er seine Hand nach der Lade ausgestreckt hatte, sodass er dort starb bei der Lade Gottes." (2. Buch Samuel, Vers 6 und 7)

Montag, 18. Mai 2020

Seite 19 - Das Lebenskreuz






















Also wenn der Sp. M. jetzto die Menschen nach dem thierischen Leibe durch Ecstases außer sich selbst bringen, daß sie als ungefühlig und erstarret daliegen, wann sie wieder zu sich kommen, ists der alte Mensch, welcher sich übersinnliche Freiheit nimmt, und damit in ein unordentliches wüstes Leben hingeräth, wie viel Exempel vor Augen p.p.
d. 19. Marti. 1708

Wir erinnern euren Geist, euers eigenen Wortes, im Brieflein an uns, da ihr nicht anders zu schreiben wißet, als die Kinder-Stimme: Ich habe euch lieb!
Fahret mit eurem Willen-Geist, aus der Stirn diesem hall nach, so werdet ihr finden, wo das Kindlein Jesus, euer inwendiger Mensch seinen Sitz hat, als in seiner Matrice, und mit großem Wunder schauen, wohin euch die Kindlein weisen, (in denen der engelische Grund noch spielet) nemlich in die Brust, allwo der Spiegel der himmlischen Jungfrauen ist, und hierin ists, dass der Geist im Beginn unserer Bekanntschaft, die zusammen geraffte Sinne und Gemüth eingeworfen; Continuiret damit immer fleißig zu, und laßets euere Arbeit in allen Gebeten sein, versammelt euren Geist in Eins, und leget ihn in der Mutter Schoß ein; Sie wird ihn in ihrem H. Element empfindlich neu gebähren; die lebendig fühlende Kraft soll eurem alten Adam* dermaßen erquicken, daß diese gantze Welt, mit aller Süßigkeit, lauter Quahl dagegen p.p.

Der allerheiligste Ort ist Ternarius Sanctus**, unserer l. Mutter Braut-Cammer, darin als in dem Auge der göttlichen Weißheit alle Principia in einem Punkt zusammenlaufen; Vater, Sohn und H. Geist, mit der Weißheit umgeben, Eins in unserem Geiste.
Dieser jungfräuliche Spiegel, wie Eingangs aufgehoben, stehet aufm Lebens+ [Lebenskreuz] in der Brust, und centriret sich im Mittelpunkt, zwischen beiden Armen.

Hierin müßet ihr euren Geist mit der Immagination gewöhnen, auf daß die Sinnen die göttliche Kraft in sich faßen, zum Nutriment***) Seelen und Geistes so werden alle finsteren Bilder in der Vernunft fallen, inmaßen wir in allen Gebeten, El. alle drei darin als in unserer himmlische Matricern eingebähren, und euren geist mit dem heiligen Tinctur-Feuer Vaters und Sohns anzünden und heiligen, und damit im H. Feuer zum lieblichen Geruch {Rest des letzten Satzes, der auf der nächsten Seite beendet wird: in Gott auffahren (und dieses ists, daß euer Geist dies wonnesame Licht von ferne siehet, und die Strahlen davon auffaßet, wann ihr ihn aber werdet mit der Immagination, als gesagt ist gewöhnen, und herzu an den rechten Locum führen, so wird euch das Licht nahe werden) ob wir El. möchten lüstern machen, dem Aas in eurer eigenen Creatur nachzuspüren, und auf den göttlichen Kraft-Punkt zu kommen, worin ihr alle Brüder umhälsen und faßen werdet können, und nicht in der Tiefe des Gemüths herumschweben, und auf ein Nonens [non ens] in Ungewißheit würken dürfet, so doch keine Fixität giebet, weil Gott von uns nicht erreichet werden kann, als nur in Christo der Jungfrau, worin  die Gottheit im Wesen wohnet, und sich der Seelen wenn sie treu ist, seiner Zeit, von Angesicht zu Angesicht offenbaret.}

*) alter Adam = Körper
**) ternarius sanctus = Heilige Dreifaltigkeit
***) Nutriment = Nahrung

Freitag, 15. Mai 2020

Seite 18 - wunderliche Thorheiten und der salnitrische Schrack























{Rest des letzten Satzes von Seite 17:} gehen, da hast du deine Gaben in deiner Hand, du mußt eine eigenmächtige Bewegung haben, damit kannst du deinen Nächsten fruchten, und dienen; du willst dich so nicht dahin in die Finsterniß, in den Kerker wagen, wer weiß was dir im gelaßenen Willen wiederfähret?
Damit ist die Seele in der Eigenheit gefangen, begeht wunderliche Thorheiten, und ist ein rechter Affe der inneren Licht-Welt, denn wir nicht nach eigenem Gutdünkel und Willen gehen, sondern im Gebet auf unseren Knien Gott um Seine H. Leitung durch die Wüste der äußeren Principii anruffen müßen, auf Gott vertrauen lernen, und nicht förchten p.
Der Engel Gottes weiß Joseph mit Mutter und Kind wohl durch die Mörder in Egipten zu bringen, da dann das rechte himmlische Feuer mit Zersprengung der strengen Gestalten im salnitrischen Schrack¹ aufgeschlagen wird p.
Und dies Feuer ists so aufm göttlichen Altar brennt, und seinen lieblichen Geruch vor Gott giebet, und worin die Seele sich wieder im Geist mit Gott findet p.p.
d. 22. Decbr. 1705

Die solarische Tinctur² ist falsch, und bringt der Seelen keine wahre Ruhe und Frieden, warum das Einersenken in dieselbe, im Feuer den Stich nicht hält, dahero wirs gleich anfangs suspectiret³, und mit Bestürtzung bei den Teutschen Pietisten-Freunden vernehmen, daß sie keine Auge haben, und nicht tiefer arbeiten, und dahero sich gleich aufdecken, und widersetzen, wenn sie bei uns kommen, ob man schon keinen Gedanken hat: welches von denen ungleichen Müttern herkommt, Hagar und Sara⁴, zwar Kinder von einem Vater, aber zwei unterschiedlichen Müttern, welche sich nie vertragen.
In beiden ist auch ein Oraculum, davon der Engel der Hagar erschien, und ihr in der solarischen Tinctur die Augen öffnete, daß sie den Waßer-Quell darin sahe, die dürre Gestalten ihres Knabens Ismaels, der nun verschmachten wollte, damit zu tränken, welcher aber nach dem Trinken ein Spötter nach als vor geblieben, und dem Isa[a]c eine stete Übung gewesen, da derselbe Geist in Abimelechs⁵ Regimente ihm stets die Brunnen verstopfet, also geht’s noch heutiges Tages.

¹) Salnitrischer Schrack = von J. Böhme geprägter Begriff: plötzliche Feuerentzündung
²) Solarische Tinktur = in der Alchemie ein golderzeugendes Präparat
³) supektieren = argwöhnen, verdächtigen
⁴) Sara und Hagar = biblische Gestalten. Als Sara auch in hohem Alter mit ihrem Mann Abraham nicht den von Gott verheißenen Sohn bekommt, überredet sie Abraham, mit ihrer Dienerin Hagar ein Kind zu zeugen, seinen ersten Sohn Ismael. Diese Situation führt zu Konflikten zwischen den Frauen. 13 Jahre später bringt Sara doch noch ihren Sohn Isaak zur Welt. Isaak wird der Stammvater der Israeliten, Ismael der Stammvater der Araber.
⁵) Abimelech = König zur Zeit Abrahams und Isaaks, mit dem Abraham einen Streit über die Nutzung von Brunnen hatte.

Mittwoch, 13. Mai 2020

Seite 17 - Die zwei Töde























{Rest des letzten Satzes von Seite 16:} (dieses ist die erste Schwängerung, so durch Immagination geschiehet, als da des Menschen Geist imaginiret, in den jungfräulichen Spiegel Gottes, in der Tinctur eröffnet) da in der großen Angst die Welt (der Microcosmus, als die Gebär-Mutter) zu enge machen will; weil der Sp. M. aber gar unfix und blöde, anstatt daß er durch Gebet durch die Angst-Cammer durchdringen und das himmlische Feuer anzünden soll, so fället er auf äußere Extrema und schmücket sein Thier mit einem frommen Kleide p.p.
d. 22. Decbr. 1706

Das Geheimniß der Wiedergeburth ist groß, weil unsere himmlische Bildniß (Jesus) durch alle 3 Principia muß gebohren werden, und durch zwei Töde gehen p.
Dahero ihr findet, daß die erste Auferstehung und Zerschellung des Gemüths in dem äußerern Geist geschiehet, allwo die Seele durch Buße und Abstinentz, je nachdem sie sich im Willen traulich an Gott übergiebet, bald die äußerer Tinctur im Gemüth erreichet. Diese ist aber sehr unfix, und dem Menschen nicht gut in diesem Stande lange zu harren.

Christus muß so bald Er hier gebohren, also bald von Herode*, oder Sp. M. (der in der ersten Gestalt der ewigen Natur, seine eigenen Kinder frißet) in uns, dieweil wir noch unschuldige Kindlein sind, getödet werden, und durch diesen Tod ins erste Principium der Feuers-Geburt als in Egipten fliehen, und alldadurch ernstes Gebet und Eindringen zu Gott, die übrige verfloßenen Gestalten der ewigen Natur zersprengen; denn wo die Seele sich nicht bald, dieweil sie noch keusch, und von der Schlangen nicht vergiftet ist, aufs Centrum Natura leget, so flieht sich der Teufel ins erste Licht, und macht die Tinctur falsch, da der thierische Mensch mit gleißet, und kann des Teufels nicht wieder los werden, er darf nicht in seinem inwendigen Grund einkehren, denn er findet den Paß mit dem Cherub** besetzet, vor welchem rauhen Herrn der äußerer Geist in große Angst fället, und du willst lieber wieder zurück in deine erste Aufweckung {Rest des letzten Satzes, der auf der nächsten Seite beendet wird: gehen, da hast du deine Gaben in deiner Hand, du mußt eine eigenmächtige Bewegung haben, damit kannst du deinen Nächsten fruchten, und dienen; du willst dich so nicht dahin in die Finsterniß, in den Kerker wagen, wer weiß was dir im gelaßenen Willen wiederfähret?}

*) Herodes = römischer König von Judäa, der lt. Matthäusevangelium nach der Geburt Jesu die Ermordung aller männlichen Neugeborenen anordnet, weshalb die heilige Familie nach Äpypten flieht
**) Cherub = Engel, himmlischer Wächter

Montag, 11. Mai 2020

Seite 16 - Die monstrosische Ungestalt























{Rest des letzten Satzes von Seite 15:} bitter, und bitter wider Angst, gleich im finsteren Willen ist, und die Gestalten gebähren einander doch im Willen, so aber im finsteren lauter Feindschaft.

Gleich bei Vorbild ihrer zwei oder mehr, welche in Feindschaft stehen, und aus einem Wort in ein gantz Rad kommen, da ein giftig Wort das andere gebieret.
Aber bei guten Hertzen, die in einem Willen der Liebe stehen, gebähren sich die Gestalten im Licht, da eines dem anderen das Hertz aufschließet, eine Gestalt oder Wort liebt des anderen Gestalt oder Wort, woraus sich zuletzt ein groß Licht anzündet, welches Christus ist, wann sich ihrer 2 oder 3 also gebähren.
Wann ihr auf diesen Grund im Gemüth kommt, werdet ihr euch in den finsteren Gestalten nicht lange aufhalten, sondern Sinn und Gemüth im Finsteren zuschließen, und nicht speculiren, ob man wohl die Finsterniß durchgehen muß, weil kein Licht ohne Finsterniß ist.
Das Feuer der Angst aber ist die Scheidung der finsteren und Licht-Welt, da mit Zersprengung der Angst-Cammer der Blitz oder Blick des ewigen Lebens aufgehet, worauf es gantz Tag wird.
Wann man aber die Liebe zum Vorwurf hat, und nichts anderes ins Gemüth einläßet als Liebe, so gehets im Feuer auch sehr sanft, welches so dünne wird als das Licht selber.
Also erfordert die göttliche Geburt mehr ein Nichtselber Würken als ein eigen streng Würken.
Darum besteht das Inwendige auch nicht in Gebotten, gleich das gantze Evangelium lauter Erweckung in sich hat. Niemand kann zweyen Herren dienen; sorget nicht, sammelt nicht Schätze; liebet einander als Ich euch geliebet habe. p.p.

Merket dannenhero (?) mit der A.B.C. Schule, da Consonantes und Vocales krauß durcheinander stehen, den äußeren Geist oder Sp. M. in Gut und Böse, mit welchem Gott zu unserer Belehrung und Erneuerung den Anfang machet, und sich in Tinctura solis*, als den reinesten paradeisischen Theil im Gemüth eröffnet, davon der Sp. M. räge wird, und einen Spiegel bekommt, worin er seine monstrosische Ungestalt erblicket, und findet, daß er nach dem Leibe ein Thier, und nach der Seelen ein Teufel; davon er in große Reue, Abstinentz und Poenitentz** {Rest des letzten Satzes, der auf der nächsten Seite beendet wird: fället (dieses ist die erste Schwängerung, so durch Immagination geschiehet, als da des Menschen Geist imaginiret, in den jungfräulichen Spiegel Gottes, in der Tinctur eröffnet) da in der großen Angst die Welt (der Microcosmus, als die Gebär-Mutter) zu enge machen will; weil der Sp. M. aber gar unfix und blöde, anstatt daß er durch Gebet durch die Angst-Cammer durchdringen und das himmlische Feure anzünden soll, so fället er auf äußere Extrema und schmücket sein Thier mit einem frommen Kleide p.p.} 

*) tinctura solis = in der Alchemie ein golderzeugendes Präparat
**) Pönitenz = Buße

Mittwoch, 6. Mai 2020

Seite 15 - Aller Anfang ist schwer























{Anfang des letzten Satzes von Seite 14: Gleich mir in der Zeit mit Jacob. B.* wiederfahren, ich konnte nicht einen Versicul** lesen, ich mußte das Buch niederlegen, im Verborgenen auf die Knie fallen und beten, womit sich der Geist durch die Gestalten, auch alle 3 Principia im Worte gebahr, wann ich gieng oder stand, auch des Nachts ruhete,}
so stund das göttliche Gewächs nicht still, und war alle Morgen neu.

Man weiß anfangs aber sich nicht zu moderiren, weil man den äußeren Natur- und inneren Lichts-Hunger nicht unterscheiden kann, dahero man das Rad von außen zu streng treibet, welches den Leib abmattet.
Da hingegen, wenn man nur mit dem Hertzen betet, worin der Lichts-Hunger ist (welches wir an Br. Jan M. das übersinnliche Wirken heißen), so mattets nicht nur den Leib nicht ab, sondern das Licht treibet die Gestalten sanft, daß man in so kurtzen Tagen als 3 sind, durch die Principia zur Geburt im Licht kommen kann, da man mit dem finsteren Treiben im Feuer in 3 wochen ja nimmermehr so weit fördern kann, weil das Rad im Finsteren stehen bleibet; dahero man auch nicht zum Lichte kommt, noch weiß was Gestalten sind, welche allein in der Jungfrauen verstanden werden p.
Christus sagt auch: Würket Speise die nicht vergehet, sondern bleibet im ewigen Leben, welche euch des Menschen Sohn (das ist die Jungfrau, unsere himmlische Gebär-Mutter) giebet.
Welches für Anfänger die schwerste Arbeit unter der Sonnen, gleich mehr gute Hertzen wohl gesagt, sie wollten lieber den gantzen Tag die schwerste Hauß-Arbeit thun, als eine Stunde in Geist und Wahrheit beten, es heißet aber Omne Principium Grave***, wie in allen natürlich Dingen, also auch im Geiste. Es kommt aber dieses Falls dabei zu weil der äußere Mensch bei Schwachen oder Anfängern das Rad zu stark anziehet mit der finsteren Begierde, weil der äußere Mensch gern wollte Licht sein (welches bei Vollkommenen nicht ist, welchen Finsterniß und Licht im äußeren Menschen ein) es verlernet sich aber von selbsten, wenn durch die Erfahrung gewahr wird, daß die Finsterniß das Licht nicht begreifen, oder ergreifen kann, so schöpfet der Geist einen neuen Willen aus der Finsterniß aus Zugehen, welches der Lichts-Wille heißet, welcher das sanfte Eine Element des Geistes ist worin die gestalten einander lieben, und sich untereinander freundlich gebären, daß gantz kein Rügen oder Stachel der Eßentien ist, herbe wider {Rest des letzten Satzes, der auf der nächsten Seite beendet wird: bitter, und bitter wider Angst, gleich im finsteren Willen ist, und die Gestalten gebähren einander doch im Willen, so aber im finsteren lauter Feindschaft.}

Anmerkungen:
*): Jakob Böhme, 1575-1624, deutscher Philosoph und Mystiker
**): Versiculus = das Verslein
***):Omne Principium Grave = Aller Anfang ist schwer



Dienstag, 5. Mai 2020

Seite 14 - Das Durchdringen des Worts






















Die movirte (?) Contraria¹ der Vernunft, wegen des keines im Gebet, sind leicht zu beantworten.
Ihr lbr.² habt selbst die Erfahrung, wenn eures Geistes Ernst groß worden, daß ihr aufspringen, und auf die Knie fallen müßen; die Praxis wird alles in eurem Gemüthe conciliren³ können:
Wann aber Jemand krank oder impodent, das Bette hüten muß (gleich wie auch wir des Nachts, wenn wir erwachen, die Stunden auskaufen, und uns in Gott eingebären, wozu wir Gnade haben) oder im Schiff, oder auf Wagen, unter Läuten ist, bedienet man sich der Gelegenheit wie sie fället, dabei wir euch von Br. Gichteln versichern können, daß so oft er bei uns von der Reise avisiret⁴, sein erst Werk ist, nach meinem Oratoris⁵ sich zu begeben, wo er sich vor Gott in der Verborgenheit niederwirfet p.

Wir ersehen daß ihr die Jungfrau ins Auge bekommt.
Ist das Das, davon wir in vorigem gedacht, und unser einigstes Ein, davon wir schreiben oder reden, weil wir nichts anderes wißen mit Paulo, als Jesum, welcher die Jungfrau in sich hatte, sie ist unsere Matrix, welche und Gottes Willen, welcher unsere Speise ist, ausgebieret, und durch das Wort welches wir El. schreiben, welches in den Lesern Geist, Seel und Leib durchdringet, so gebären heißet durch Gestalten der Natur, bis es sich in eine himmlische Wesenheit im Licht gebohren, allwo es seine Gleichheit findet, weil das Reich Gottes in uns, aber im Zorn Gottes in allen Gestalten der Natur zeitlichend ewig verborgen ist, welche im Ohre das Wort aufschließet, dahero Christus hoc Sensu⁶ beten Graben heißet: Und dieses Durchdringen des Worts geschiehet vermittelst des Gebets, und der Geist Christi im Wort erwecket den Geist des Gebets, daß mans nicht lesen kann, man muß gleich darauf beten.
Anfang des letzten Satzes, der auf der nächsten Seite beendet wird:
Gleich mir in der Zeit mit Jacob. B. wiederfahren, ich konnte nicht einen Versicul lesen, ich mußte das Buch niederlegen, im Verborgenen auf die Knie fallen und beten, womit sich der Geist durch die Gestalten, auch alle 3 Principia im Worte gebahr, wann ich gieng oder stand, auch des Nachts ruhete, {...}

Anmerkungen:
¹) Contraria = Gegenteile, Gegensätze
²) Ihr lbr. = vermutlich: Ihr lieben Brüder
³) concilieren = verbinden
⁴) avisieren = ankündigen
⁵) oratorium = Bethaus
⁶) hoc sensu = dieser Sinn

Mit dieser Seite hatte ich einige Schwierigkeiten. 
Beginnend mit dem unleserlichen oder unbekannten zweiten Wort, erschließt sich mir bei einigen der folgenden Sätze weder die Grammatik noch der Sinn.


















Entweder liegt es an mir, oder die Konzentration des Schreibers ließ hier einfach mal nach.