Dienstag, 26. Mai 2020

Seite 21 - Der Drachen-Wurm

Die Seele muß ihrem Drachen-Wurm absterben, und demüthig in der Mutter ruhen und sich der Creutz-Geburt und aller Wiederwärtigkeit unterwerfen, und ihr Himmel und Hölle Licht und Finsterniß eben lieb und egal um Christi Willen werden, damit wird ein ander Geist in der Begierde gebohren werden, welches der sanfte Lichts und H. Geist des Gebets heißet, und in Gott aufsteigen, hiemit bleibet der Drache als ein Salamander im göttlichen Feuer ruhen, welches seine sanfte Wonne und Himmel ist; über diese Gräntzen muß er nimmermehr kommen, denn die Jungfrau läßt ihn in ihren Lichts-Himmel nicht ein, er ist zu ungebärdig, und wenn er das Licht erreichet, flieget er [da]mit über die Thronen aus.
Aus diesem wird El. nun verstehen, durch göttliche Erleuchtung den Geist des Gebets Christi, welcher nicht ruft oder schreiet, und deßen Stimme man auf der Straße nicht höret; das Eli, Eli, Lamma Sabachtani* am Creutz rufen mit großem Geschrei und Thränen. Hebr. V. hat eine andere Lection p.p.
d. 1. Mai 1708

Der finstere Welt-Hunger wird von dem Licht-Hunger im Liebe-Feuer verschlungen werden, so euer Gemüth recht mäßig, und allezeit nüchtern wird machen, daß ihr den Hunger Gottes nach euren Gebets von dem Hunger Gottes der finsteren Welt klar werdet unterscheiden können, und Gottes Tempus, da Er unsere Gebete einißet ordentlich erkennen, auch den großen Unterschied in euch befinden, zwischen Gott und Natur; indem Gott unser Gebet zwar einißet, aber Seine Lichts-Wesenheit und Kraft unserer Seelen hinwieder mittheilet, daß also ein stets währendes unaufhörliches Eßen oder Beten ist, obwohl auf eine eßentiale Art, gleich wie unser natürliche Magen nach Speiß und Trank zu gewohnter Zeit hungert, und wenn er sein Mahl eingenommen, seinen Mund wieder schließet, und hinwiederum alle Eßentien und Glieder des Leibes speiset, daß also ein stetes Eßen auch ist; so bald der Magen den empfangenen Vorrath gantz ausgegeben, beginnt das Feuer wieder zu hungern nach neuer Speise.
Also auch mit dem göttlichen Feuer zu verstehen ist, welches mit unseren Gebeten gespeiset wird.
Der finsteren Welt, oder des Drachen {Rest des letzten Satzes, der auf der nächsten Seite beendet wird: Hunger ist unersättlich, so gar, daß er Gott und Himmelreich nicht kann gesättigt werden, sondern im dürren Hunger bleibet, denn der tiefe Abgrund sein Schlund ist; dahero kein Wunder, daß er dem Gemüthe nicht wieder austheilet, und ihr bei euren langweiligen Gebäten ohne Kraft bleibet p.p.} 

*) Eli, Eli, lāmā azav’tāni = Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ausruf Christi am Kreuz

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